In Memoriam Jerome
Hund Hund Hund

#1

Ein Hund klagt an

in Was das Leben schrieb 04.09.2015 01:39
von BoardButler • Admin | 44 Beiträge








Als ich noch ein Welpe war unterhielt ich dich mit meinen Mätzchen und brachte dich zum Lachen. Du nanntest mich "Dein Kind" und trotz einer Anzahl von zerkauten Schuhen und einigen Sofakissen, die ich "ermordete", wurde ich dein bester Freund. Wann immer ich ungezogen war, zeigtest du mir mahnend den Zeigefinger und sagtest: "Wie konntest Du?" - aber dann hattest du dich sofort wieder erweichen lassen und rolltest mich zur Seite, um meinen Bauch zu kraulen. Meine Aufenthalte in der Wohnung wurden während deines Studiums immer länger, aber ich riß mich zusammen. Ich erinnere mich an jene Nächte, als ich mich im Bett ganz nahe an dich schmiegte und dir zuhörte, wie du im Schlaf gesprochen hast und ich glaubte, daß das Leben nicht vollkommener sein könnte. Wir gingen in den Park, um dort lange spazieren zu gehen oder um herumzutollen. Wir fuhren mit dem Auto irgendwohin und kauften uns ein Eis. Ich erhielt nur den Rest der Waffel mit ein wenig Eis, weil du sagtest: "Zuviel Eiscreme ist für Hunde nicht gesund!". Im Sonnenstrahl, der durch die Balkontüre ins Wohnzimmer hineinschien, hielt ich ein langes Schläfchen und wartete so, bis du von der Arbeit nach Hause kamst.

Allmählich verbrachtest du mehr Zeit auf der Arbeit als zu Hause mit mir, um "Karriere" zu machen. Auch verbrachtest du nun sehr viel Zeit damit, um einen "menschlichen Partner" zu finden. Ich wartete immer geduldig auf dich, tröstete dich bei Liebeskummer und deinen Enttäuschungen und freute mich ebenso mit dir, als du Erfolg bei einer Frau hattest. Sie, jetzt ist sie deine Ehefrau, ist kein "Hundeliebhaber", aber trotzdem begrüßte ich sie in unserem Heim, respektierte sie und zeigte ihr, daß ich sie mag. Ich war glücklich, weil du glücklich warst!

Dann kam die Zeit, in der Babys zur Welt kamen. Ich teilte die Aufregung mit dir. Ich war von der glatten Haut und vom angenehmen Geruch der Babys fasziniert, so daß auch ich sie bemuttern wollte. Aber du und deine Frau dachten nur daran, daß ich den Kindern schaden und sie verletzen könnte. Daher mußte ich die meiste Zeit nun verbannt in einem anderen Raum verbringen, Oh, wie ich sie lieben wollte, aber es war mir nicht vergönnt, denn ich war ein "Gefangener der Liebe". Während sie anfingen zu wachsen, wurde ich ihr Freund. Sie zogen an meinem Fell, griffen auf wackligen Beinen nach mir, stießen ihre Finger in meine Augen, forschten an meinen Ohren und gaben mir Küsse auf meine Schnauze. Ich liebte alles an ihnen, besonders ihre Berührungen, weil deine so selten wurden. Ich war soweit, daß ich die Kinder notfalls mit meinem Leben verteidigen würde. Ich war soweit, in ihre Betten zu schleichen, um ihren Sorgen und geheimsten Träumen zuzuhören, zusammen mit ihnen das Motorengeräusch deines Autos zu erwarten, während du in die Einfahrt fuhrst.

Vor langer Zeit, als man dich fragte, ob du ein Haustier hättest, zogst du aus deiner Brieftasche ein Foto von mir und erzähltest mit vollem Stolz über mich. Die letzten Jahre antwortetest du nur noch mit "Ja" und wechseltest das Thema. Ich war früher "Dein Hund" und bin heute "nur ein Hund"!

Dann hattest du eine neue Karrieregelegenheit in einer anderen Stadt, und du und deine Familie zogen in eine Wohnung, in der Haustiere nicht erlaubt waren. Du hattest für dich und deine Familie die richtige Entscheidung zu finden, obwohl es einmal eine Zeit gab, in der "Ich" deine Familie war.

Mann oh Mann, hatte die Autofahrt Spaß gemacht, bis ich bemerkte, wo wir angekommen waren. Es roch nach Hunden und Katzen, nach Furcht und nach Hoffnungslosigkeit. Du fülltest Papiere aus und sagtest, daß du wissen würdest, daß man ein gutes Heim für mich finden würde. Die beiden Damen hinter der Theke zuckten mit den Achseln und zeigten dir einen schmerzvollen Blick. Sie verstanden die Wirklichkeit, der ein Hund mittleren Alters gegenüberstand, ja sogar ein Hund mit "Papieren". Du hattest die Finger deines Sohnes von meinem Halsband lösen müssen, während er weinend schrie: "Nein, Papa, bitte laß mir meinen Hund!". Ich wunderte mich in diesem Moment nur, wie du ihm gerade Lektionen über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortlichkeit beibringen konntest. Zum Abschied gabst du mir einen Klaps auf den Kopf, vermiedest dabei, mir in meine Augen zu schauen und lehntest höflich ab, mein Halsband und meine Leine mitzunehmen. Du hattest einen Termin einzuhalten, nun habe ich auch einen! Kurz nachdem du gegangen warst, sagten die zwei netten Damen, daß du vermutlich Monate vorher vom Umzug wußtest und somit auch eine Möglichkeit vorhanden gewesen sein mußte, einen "guten Platz" für mich zu finden. Sie schüttelten ihre Köpfe und fragten sich ... "Wie konntest Du?".

Die beiden netten Damen widmeten uns ihre ganze Aufmerksamkeit, wann immer es ihre Zeit zuließ. Sie fütterten uns täglich und ausreichend, aber ich verlor meinen Appetit bereits vor Tagen. Anfangs, wann immer jemand an meinem Gehege vorbeiging, hetzte ich zur Frontseite und hoffte, daß du es bist, daß du deine Meinung geändert hättest und daß alles nur ein böser Traum war. Oder ich hoffte, daß es zumindest jemand sein würde, der mich mögen könnte, der mich retten würde. Aber die Wahrheit war, daß ich es nicht mit den liebenswerten, kleinen und so tollpatschigen Welpen aufnehmen konnte. Weltvergessen in meinem eigenen Schicksal zog ich mich in eine weiche Ecke zurück, hatte keinen Hunger mehr und wartete ab.

Eines Tages, es war am Nachmittag, hörte ich Schritte. Man holte mich ab, ich ging über einen langen Korridor, bis ich an dessen Ende einen Raum betrat. Es war ein seliger, ruhiger Raum. Die Frau platzierte mich auf einen Tisch, kraulte meine Ohren und erklärt mir, daß ich mich nicht zu sorgen bräuchte. Mein Herz schlug in voller Erwartung auf das, was da kommen sollte. Gleichzeitig hatte ich ein Gefühl der Entlastung. Mir, dem gefangenen der Liebe, gingen die Tage aus. Gemäß meiner Natur war ich jedoch mehr um die nette Frau besorgt, als um mich selbst. Ich erkannte, daß sie eine Belastung trägt, die tonnenschwer sein mußte. Sie platzierte leicht einen Aderlaß um mein Vorderbein, während eine Träne ihre Wange hinunterkullerte. Ich leckte ihre Hand in der gleichen Art und Weise, wie ich es bereits Jahre vorher tat, um dich, mein geliebtes Herrchen, zu trösten. Sie schob sachverständig die Nadel in meine Vene. Nachdem ich den Einstich und den Eintritt der kühlenden Flüssigkeit in meinen Körper verspürte, lehnte ich mich schläfrig zurück, schaute dabei in ihre freundlichen Augen und murmelte: "Wie konntest Du?".

Möglicherweise verstand sie meine Hundesprache, denn sie sagte: "Es tut mir so leid!". Sie umarmte mich hastig und erklärte mir, daß es ihr Job sei, mir einen besseren Platz zu verschaffen, wo ich nicht ignoriert, mißbraucht oder verlassen werden würde. Einen Platz, an dem ich mich nicht verstecken müsse, einen Platz der Liebe und des Lichts, der so anders sei als auf Erden. Mit meinem letzten Bissen an Energie wedelte ich mit meinem Schwanz und versuchte ihr so zu sagen, daß mein "Wie konntest Du?" nicht gegen sie gerichtet war. Ich dachte dabei an dich, mein geliebtes Herrchen. Ich werde immer an dich denken und auf dich warten. Möge jeder dir in deinem Leben immer diese Loyalität zeigen.
Mehr Herz für Tiere



Einige Worte des Autors Jim Willis:

"Wenn 'Wie konntest Du?' Tränen in Ihre Augen trieb, dann erging es Ihnen genauso wie mir, als ich dies abschrieb. Jedermann ist es erlaubt, diese Geschichte weiterzugeben. Erklärt der Öffentlichkeit, daß die Entscheidung, ein Haustier in einer Familie aufzunehmen, eine wichtige Entscheidung für das Leben ist, daß Tiere unsere Liebe und unseren Respekt verdienen."



Text aus dem Buch "Die leise Stimme der Seele"

zuletzt bearbeitet 31.07.2019 21:22 | nach oben springen


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